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Wenn Leistung nicht mehr reicht

von Thomas Krings

Du hast alles erreicht, aber das Spiel reizt dich nicht mehr. Erfolg fühlt sich wie Routine an.

Der Moment nach dem Gipfel.

Da stehst du also. Ganz oben.

Der Kalender ist voll, die Bilanz stark, der Name bekannt. Doch während alle applaudieren, spürst du: Etwas stimmt nicht.

Es ist kein Burnout, kein Drama, kein Bruch. Es ist schlimmer.

Es ist Leere bei vollem Erfolg.

Der Berg, auf den du jahrelang geklettert bist, ist erklommen – aber da oben ist kein Panorama, nur Nebel. Kein Wind, kein Ausblick, keine Richtung.

Ein CEO erzählte mir einmal von seinem „Gipfeltag“: Nach dem Verkauf seines Unternehmens – neunstelliger Betrag, Standing Ovations – saß er abends allein in seinem Hotelzimmer, bestellte sich ein Club-Sandwich und starrte aus dem Fenster. Er hatte das Spiel gewonnen. Nur wusste er nicht mehr, warum er es überhaupt gespielt hatte.

Erfolg als früherer Richtwert vs. heutiges Echo

Früher war Erfolg der Kompass. Er zeigte die Richtung, gab Orientierung, Struktur, Sinn.

Jede neue Etappe – mehr Umsatz, mehr Verantwortung, mehr Einfluss – fühlte sich wie Fortschritt an. Leistung war gleich Bedeutung.

Aber irgendwann kippte das System.

Was früher ein Richtwert war, wird heute zum Echo. Erfolg antwortet nur noch auf das, was du längst bist – nicht auf das, was du suchst.

Die KPIs jubeln, doch innen bleibt es still. Du funktionierst brillant – aber du lebst nicht mehr brillant.

Das Paradoxe: Je erfolgreicher du wirst, desto enger wird das Spielfeld. Deine Identität hängt an deinem Output. Dein Selbstwert an deiner Performance.

Und während du immer mehr beweist, verlierst du dich selbst aus dem Blick.

Eine Studie der Harvard Business School beschreibt dieses Phänomen als „Success Trap“ – den Moment, in dem High Performer ihre Identität so stark mit Erfolg koppeln, dass sie ihre innere Navigation verlieren (Harvard Business School: Why Leaders Don’t Learn from Success).

Äußere Performance vs. innere Orientierung

Die Wirtschaft hat dich konditioniert, nach außen zu messen. Kennzahlen. Ergebnisse. Wachstum.

Aber kein System überlebt, wenn die innere Orientierung verloren geht.

Performance ist wie ein Scheinwerfer: Er leuchtet hell, aber nur in eine Richtung. Orientierung ist das Licht, das von innen kommt.

Wenn du nur noch performst, funktionierst du innerhalb des Systems. Wenn du orientiert bist, führst du das System.

Das ist der Unterschied zwischen einem CEO, der sein Unternehmen kontrolliert – und einem, der es gestaltet.

Zwischen dem, der Fragen stellt – und dem, der Antworten liefert.

Zwischen dem, der Erfolg hat – und dem, der Bedeutung stiftet.

Eine Untersuchung des MIT Sloan Management Review zeigt, dass Führungskräfte, die regelmäßig ihre persönlichen Werte reflektieren, langfristig klarer entscheiden, resilienter führen und weniger in Zynismus abrutschen (MIT Sloan: Effective Leaders Articulate Values—and Live by Them).

Kurz: Orientierung schlägt Optimierung.

Wenn Leistung nicht mehr reicht – der Weckruf

Das Gefühl, dass Leistung nicht mehr reicht, ist kein Scheitern. Es ist ein Systemfehler im alten Spiel.

Leistung hat dich bis hierher gebracht – aber sie bringt dich nicht weiter.

Der alte Antrieb „mehr, schneller, besser“ war notwendig, um aufzubauen. Doch jetzt bist du in einer anderen Phase.

Du brauchst keinen neuen Berg. Du brauchst eine neue Karte.

Der Ruf, den du spürst – dieses leise Unbehagen trotz Erfolg – ist kein Verlust, sondern ein Übergang. Vom Funktionieren zum Führen. Von der Kontrolle zur Klarheit. Von der Leistung zur Präsenz.

Viele ignorieren diesen Ruf, weil sie glauben, dass er Schwäche bedeutet. Doch in Wahrheit ist es der Moment, in dem dein System ehrlich wird.

Denn was du suchst, ist nicht mehr Erfolg, sondern mehr Wahrheit.

Der CEO auf dem Gipfel

Stell dir vor, du stehst wieder auf diesem Berg. Aber diesmal siehst du klar.

Du erkennst, dass der Gipfel nie das Ziel war. Er war nur ein Aussichtspunkt, damit du siehst, wie groß das Spielfeld wirklich ist.

Du beginnst, nicht mehr nur nach oben zu denken – sondern nach innen. Nicht mehr Leistung als Währung – sondern Bewusstsein als Kapital.

Du verstehst: Erfolg ist ein Indikator, kein Kompass.

Er zeigt dir, was du kannst. Aber nicht, wer du bist.

Und erst, wenn du das trennst, beginnt das, was viele „zweite Lebenshälfte“ nennen – ich nenne es Business 2.0.

Ein Spiel, das nicht mehr von Leistung, sondern von Souveränität getragen wird.

Fazit

Wenn du spürst, dass Leistung dich nicht mehr erfüllt, ist das kein Zeichen von Schwäche. Es ist ein Zeichen von Reife.

Der alte Antrieb hat dich weit gebracht. Jetzt darf ein anderer übernehmen: Orientierung.

Und vielleicht ist genau jetzt der Moment, in dem du beginnst, das neue Spiel zu spielen – mit derselben Klarheit, aber einem anderen Bewusstsein.

Denn Erfolg kann man messen. Souverän muss man sein.

Wenn du spürst, dass es Zeit für einen neuen Blick auf Führung ist, lass uns sprechen.